Mit Plexiglas und Einbahnverkehr - Südkreisschulen im Corona-Betrieb

Mit Plexiglas und Einbahnverkehr – Südkreisschulen im Corona-Betrieb

Hygiene ist das Zauberwort

Neue Osnabrücker Zeitung vom 24. April 2020
Artikel: Michael Schwager
Fotos: Gert Westdörp

Link zum Originalartikel auf der Homepage der NOZ

Glandorf/Dissen. Wer eine weiterführende Schule in Dissen oder Glandorf abschließt, kennt das Wort Hygiene. Meistens. Unter den Absolventen der Corona-Jahrgänge dürfte nicht ein junger Mensch ins Leben gehen, ohne dieses Substantiv in seinen Wortschatz aufgenommen zu haben. Denn Hygiene ist ab Montag das Zauberwort, wenn der Betrieb in den Schulen langsam wieder an Fahrt aufnimmt.

Schulen im Südkreis bereiten sich auf Wiederbeginn des Unterrichtes vor. Hausmeister Michael Maag von der Ludwig-Windthorst-Schule Glandorf hat Schutzscheiben für die Lehrerpulte gebaut. Foto: Gert Westdörp

Im „Niedersächsischen Rahmen-Hygieneplan Corona Schule“, am Donnerstag an die Schulen herausgegangen, spielt der Begriff eine zentrale Rolle und kommt gefühlt in jedem Absatz dreimal vor. Übertragen in die Praxis, führt er an der Ludwig-Windthorst-Schule in Glandorf unter anderem dazu: Vor dem Betreten des Gebäudes zum Beispiel müssen die Schüler warten, bis sie ihr Lehrer abholt. Direkt hinter dem Eingang zur Aula gabelt sich ihr Weg, markiert durch Bodenpfeile, in zwei Pfade, die rechts und links an einem Desinfektionstisch vorbeiführen.

Schulleiter Jörg Ringling (links) und Hausmeister Michael Maag testen den Desinfektionsmittelspender am Eingang. Foto: Gert Westdörp

Die beiden Hausmeister der Schule haben sich bei technischen Problemlösungen wie diesen als ideenreiche Improvisationstalente erwiesen, lobt Schulleiter Jörg Ringling. Einen massiven Werkstattwagen haben sie mit Latten und Schraubzwingen in eine stabile, von den beiden Eintrittspfaden aus erreichbare Handdesinfektionsstation verwandelt. Von dort gehen die Jugendlichen dann mit vorgeschriebenen Abstand direkt in ihre Klassenräume.

Start mit wenigen Schülern

Zunächst bleibt die Zahl der Lernenden in der Schule überschaubar. Täglich werden in Glandorf maximal 30 Schüler der Abschlussklassen in zwei Klassenräumen an je 15 Einzeltischen unterrichtet. In Dissen sind es etwa 13. Die beiden benutzten Klassenräume in Glandorf sind auf Erd- und Obergeschoss verteilt, sodass zumindest in der Anfangszeit, wenn nur die künftigen Absolventen unterrichtet werden, die Lerngruppen weiträumig getrennt voneinander untergebracht sind. Und sich nicht gegenseitig stören, denn alle Türen im Gebäude, außer denen der Toiletten, stehen offen, damit niemand unnötig Klinken anfassen muss.

Foto: Gert Westdörp

Die Schüler der Abgangsklassen in Glandorf sind in vier Gruppen zu je 15 Jugendlichen aufgeteilt. Zwei Lerngruppen kommen montags, mittwochs, freitags sowie in der darauffolgenden Woche dienstags und donnerstags in die Schule. Die beiden anderen Lerngruppen kommen an den anderen Tagen, so dass innerhalb von zwei Wochen alle Schüler die gleiche Anzahl von Unterrichtstagen haben. An der Realschule in Dissen wird dieses System so kommuniziert, so Schulleiter Jan Wessels: Die einen kommen an den Tagen mit geradem Datum, die anderen an denen mit ungeradem. An Mensa-Betrieb sei unter diesen Bedingungen noch nicht zu denken. Ob und wie er laufen könnte, werde noch mit dem Betreiber, dem Lernstandort Noller Schlucht, überlegt.

Einzeltische

Im Klassenraum erhält jeder Schüler in Glandorf und Dissen einen festen Sitzplatz an einem Einzeltisch als Stammplatz zugeteilt. Die Tische sind mit einem Mindestabstand von 1,5 Metern voneinander getrennt aufgestellt. Die beiden anwesenden Schulklassen werden in Glandorf zeitversetzt zur Pause auf den Schulhof gelassen. Ist die erste Gruppe zurück im Klassenraum, kann die zweite Gruppe rausgehen. So werden Kontakte reduziert. Im Dissener Schulgebäude ist zu diesem Zweck auch ein Einbahnstraßensystem eingeführt worden.

Lehrerin Kerstin Schäfers sorgt für den Durchblick. Foto: Gert Westdörp

Auf den Lehrerpulten in Glandorf steht eine große Plexiglasscheibe. Der freistehende Rahmen ist auch eine Eigenproduktion der Ludwig-Windthorst-Hausmeister. Nach vergeblicher Suche in Baumärkten waren die beiden findigen Pedelle bei einem Lieferanten in Osnabrück fündig geworden. Für 800 Euro beschafften sie die durchsichtigen Kunststoffscheiben. Die Finanzierung des Materials, so Schulleiter Jörg Ringling, sei kein großes Problem gewesen. Als Schulträgerin habe die Gemeinde Glandorf unbürokratisch Anforderungen bewilligt. „Macht, was notwendig ist“, sei der Tenor im Rathaus gewesen.

Handybenutzung in der Schule? Während der Corona-Zeit in Glandorf ist es erlaubt, ja sogar erwünscht. Die Chance der Krise: Schüler lernen das Smartphone von einer ganz neuen Seite kennen – als Lernwerkzeug. Foto: Gert Westdörp

Ringling hebt die gute Kooperation mit den örtlichen Grundschulen, aber auch mit Oberschulen aus dem Südkreis und Melle hervor. Während seine Hausmeister auch Tröpfchenschutzwände für die Sekretariate der beiden Glandorfer Grundschulen gebaut hätten, seien sie von der Grundschule Schwege mit Mundschutzmasken versorgt worden. Die Masken hatte die Mutter eines Grundschülers genäht. Ein rechtzeitig produziertes Plakat mit Verhaltensregeln für die Schüler lieferte die Ludwig-Windthorst-Schule an die Kollegen in Melle. Dafür wurden sie von dort mit einem selbst entwickelten Formblatt unterstützt, auf dem die Lehrer nun alle Infektionsschutz-Instruktionen, Namen, Sitzordnungen und sonstige Pflicht-Infos dokumentieren können.

Jörg Ringling fühlt sich gut gewappnet für das, was nächste Woche beginnt: „Wir können Erfahrungen sammeln und nachjustieren für die Wochen, in denen nach und nach immer mehr Schüler kommen werden.“ Jan Wessels beschreibt seine Gefühlswelt angesichts des wiederbeginnenden Schulbetriebs in Corona-Zeiten so: „Schon ein bisschen beängstigend. Das alles macht etwas mit einem – spannend.“