In Glandorfs Schule steht jetzt Plattdeutsch auf dem Stundenplan

In Glandorfs Schule steht jetzt Plattdeutsch auf dem Stundenplan

Seltenes Angebot mit Praxisbezug

Neue Osnabrücker Zeitung vom 11.06.2023

Text und Bilder: Axel Ebert
Link zum Originalartikel auf der Homepage der NOZ

Die 20 jungen Leute, die an diesem Tag auf dem Hof Recker emsig Teig kneten, sind keine Bäckerlehrlinge. Die Plattdeutsch-AG der Ludwig-Windthorst-Schule (LWS) macht sich über Mehl und Hefe her. Praxisunterricht heißt das Motto.

„Spaß beim Lernen ist nicht alltäglich. Hier wohl“, sagt Benedikt. Der 15-Jährige spricht für viele der Schüler, die die Klassen sieben bis zehn besuchen und sich in dieser Arbeitsgemeinschaft einmal wöchentlich treffen. „Ein ungewöhnliches, wenn nicht vielleicht sogar einmaliges Angebot im Landkreis Osnabrück“, sagt Kerstin Schäfers, stellvertretende Schulleiterin.

Spaß bei der Arbeit: Spielerisch lernen die Schüler Plattdeutsch – und das Brotbacken. Foto: Axel Ebert

Für Unterhaltung in der Lerngruppe sorgt Michael Maag, der hauptberuflich Hausmeister der Ludwig-Windthorst-Schule ist. „Auch ohne detaillierten Lehrplan läuft diese Arbeitsgemeinschaft bestens“, lobt er die engagierten Mädchen und Jungen. Das macht das Gelingen der Wissensvermittlung aus.

Jetzt schnell: Michael Maag schiebt den Brotlaib in den Ofen. Foto: Axel Ebert

Fortsetzung erwünscht

Seit den jüngsten Sommerferien wird der Plattdeutsch-Kursus in Glandorf angeboten. Die Idee hatte mit Sandra Jochmann ein Mitglied des Schulkollegiums, und Maag, eine Institution der lokalen plattdeutschen Bühne, war sofort Feuer und Flamme. Geht es nach den beiden, wird die AG zur festen Größe. Davon geht auch die Schulleitung aus, die für die Realisierung solcher ausgesuchten Angebote mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband kooperiert. Dieser Partner schafft die vertraglichen Rahmenbedingungen für einige Möglichkeiten der Ganztagsschule.

Kneten, was das Zeug hält: körperlich anstrengender Praxisteil des Plattunterrichts. Foto: Axel Ebert

Platt ist cool

Sie wolle sich gerne mit ihren Großeltern in der Mundart unterhalten können, erläutert Lisa ihre Beweggründe, diese AG und nicht die Alternative Schulhofgestaltung oder das Brasilien-Projekt gewählt zu haben. So geht es vielen Mitschülern. Englisch und Deutsch gehören zum Pflichtprogramm, „aber Platt ist etwas ganz anderes“. Marlene (13) urteilt nach einem halben AG-Jahr: „Eine schöne Sprache. Echt cool.

Solche Einschätzungen vernimmt Maag gerne. Er hat sich zum Fernziel gesetzt, mit der Gruppe einen Sketch im Glandorfer Platt aufzuführen. Timo (15) versteht vieles, ist aber vom Sprechen „weit weg“, vom Textverfassen in Platt meilenweit. Das solle sich ändern. In schweißtreibender Handarbeit produzieren die Schüler 80 Brote, die tags darauf unter den Lehrern gegen Entgelt dankbare Abnehmer finden.

Im Speicher und Stall von Familie Högemann erfährt die Gruppe etwas über Landwirtschaft. Foto: Michael Maag

Michael Maag ermutigt die LWS-Schüler, aktiv die Mundart zu probieren. Er selbst ist ein Spätberufener in Sachen Platt. Zu seiner Volksschulzeit galt Plattdeutsch unter den Pädagogen Glandorfs als Auslaufmodell. Dem Zeitgeist folgend, unterhielten sich Maags Eltern mit ihrem Filius nur in Hochdeutsch. Mancher Mitschüler Maags hingegen musste erst Hochdeutsch pauken, um im Unterricht folgen zu können. So ändern sich die Zeiten.

Blick in die Vergangenheit

Geschichten und Geschichten mischt Michael Maag mit dem Plattdeutschen. „Im Vorbeigehen wird auch Historisches und ein Gefühl dafür vermittelt, dass nicht jede aktuelle Annehmlichkeit immer schon selbstverständlich war.“ Lernen fürs Leben. Die AG erfuhr beim Besuch des Vereins zur Erhaltung historischer Landtechnik, was die Feldfrucht einst für eine Knochenarbeit einforderte. Dass Glandorf vor Urzeit einen Gerichtsstand besaß, wurde im „aollen Spieker und Chefängnis“ klar. Vielleicht auch die Tragik, die hinter der Bezeichnung „Zum Hangbaum“ steht.

In Wannen kommt der Teig für 80 Brote. Foto: Axel Ebert

Im Backhaus von Recker tummeln sich die Schüler und heizen den Ofen zum „Stuten backen“ an, der vormals von den Nachbarn mitgenutzt wurde. Denn, so haben die Schüler erfahren, nicht jeder besaß eine solche Vorrichtung. „Und in der kalten Jahreszeit wurde mit der Nachwärme des Backens das Obst getrocknet“, doziert eine 16-jährige Schülerin schmunzelnd. Olles verstohn. Bess düsse Dage.